Gottfried von Cramm

Gottfried von Cramm, einer der herausragendsten deutschen Tennisspieler des 20. Jahrhunderts, gilt in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als größtes deutsches Sportidol neben Max Schmeling. Er lebt wie er Tennis spielt – mit geradem Rückgrat. Der „Tennis-Baron“ wird als elegantester und anmutigster Tennisspieler seiner Zeit wahrgenommen und zählt nach dem Krieg zu den Mitbegründern des neuen „Deutschen Tennisbundes“.

Gottfried von Cramm kommt als drittältester Sohn von Burghard von Cramm und dessen Ehefrau Jutta am 7. Juli 1909 auf Schloss Nettlingen – unweit des niedersächsischen Hildesheim – zur Welt. Er entstammt dem südost-niedersächsischen Adelsgeschlecht derer von Cramm. Schon früh entwickelt er eine Leidenschaft für Tennis, die ihn an die Spitze des internationalen Tennissports führen sollte. Bald nach dem Tode des Grafen Ernst von Steinberg 1911 zieht die Familie in das repräsentative Rittergut Brüggen. Hier wächst Gottfried von Cramm mit seinen sechs Brüdern Aschwin, Burghard, Berno, Adalbert, Siegfried und Wilhelm-Ernst auf. Er erhält Privatunterricht und legt auf dem Hildesheimer Schulkollegium das Abitur ab.

Gottfried von Cramm beginnt im Alter von elf Jahren mit dem Tennisspielen, doch nach einem Pferdebiss verliert er seine rechte Zeigefingerkuppe. „Einem einfachen Landwirt schadet der Verlust einer Fingerkuppe nicht, und zu einem Klavier-Virtuosen bist du doch nicht geboren“, meint der Arzt. Er denkt dabei sicherlich ans Klavier- oder Geigespielen und nicht an das Spiel mit Schläger und Ball, das sein Patient ein gutes Jahrzehnt später so virtuos beherrschen wird wie kaum ein anderer seiner Zeit. Die fehlende Kuppe des rechten Zeigefingers bedeutet für den rechtshändigen Tennisspieler kein Handicap. In seiner langen Karriere benutzt Gottfried von Cramm stets einen Schläger mit extrem dünnen Griff. Mit fünfzehn Jahren nimmt er erstmals an der Deutschen Juniorenmeisterschaft teil, bei der er im Einzel bereits in der ersten Runde ausscheidet, im Doppel jedoch deutscher Juniorenmeister wird.

Nach seinem Abitur im Jahr 1928 zieht Gottfried von Cramm nach Berlin, um zur Vorbereitung auf die von ihm angestrebte Diplomatenlaufbahn Jura zu studieren. Dieses Unterfangen bricht er jedoch bald ab, mit Unterstützung seiner Mutter, da seine Tenniserfolge rasch wuchsen. Im Berliner Spitzenclub „Rot-Weiß“ wird sein Talent schnell erkannt. Schon 1929 ist er die Nummer zehn der deutschen Rangliste und beginnt bei internationalen Turnieren, auf sich aufmerksam zu machen. 1930 geht er mit Tennisfreunden seines Clubs „Rot-Weiß“ auf seine erste große Reise an die französische Riviera und trifft als noch Unbekannter auf den Plätzen von Nizza, Cannes und Monte Carlo auf die damaligen Größen des internationalen Tennissports. Dabei gelingen ihm mehrere Siege gegen hohe Favoriten. 1931 gewinnt er seinen ersten internationalen Titel in Athen und verbessert sich kontinuierlich zu einem Weltspitzenspieler. 1934 gewinnt er die „Internationalen Meisterschaften von Paris“ und ist nach Fred Perry aus England und Jack Crawford aus Australien die Nummer drei der Weltrangliste. 1935 erreicht er das Finale von Wimbledon, unterliegt aber Perry im Endspiel. Gottfried von Cramm rückt auf Position zwei der Weltrangliste vor, die er bis 1937 innehat, und gehört in jener Zeit zu den populärsten Sportlern Deutschlands. Er wird zum Sportbotschafter für ein besseres Deutschland – den herrschenden Nationalsozialisten steht der als Freidenker geltende Aristokrat zunächst distanziert, später ablehnend gegenüber. Im Schatten des NS-Regimes sorgt Gottfried von Cramm für sportliche Glanzlichter in der Tenniswelt und beweist, dass er mehr ist als ein „gracious loser“, ein nobler Verlierer, als den ihn die Engländer loben.

Die Sportkarriere von Gottfried von Cramm fällt in eine Zeit beträchtlicher politischer Umwälzungen in Deutschland. 1937 geht er mit anderen Spitzenspielern auf eine Weltreise und spielt Turniere in den USA, Japan, Indonesien und Australien. 1938 kehren die Sportler nach Deutschland zurück. Einen Tag nach seiner Rückkehr wird Gottfried von Cramm wegen Verstoßes gegen den § 175 verhaftet, angeklagt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. In der Urteilsbegründung vom 14. Mai 1938 heißt es, er habe eine homosexuelle Beziehung zu dem jüdischen Schauspieler Mannasse Herbst unterhalten. Es ist durchaus möglich, dass die Nazis mit dieser Verurteilung in erster Linie gegen eine politisch unliebsame Person vorgehen wollen. Gottfried von Cramm steht nicht hinter dem Regime und weigert sich stets, der Partei beizutreten.

Seine Weigerung, den Nationalsozialisten gefällig zu sein, führte zu seiner Verhaftung und Verurteilung wegen Homosexualität, eine Anklage, die als politisch motiviert angesehen wird, um einen unbequemen Kritiker zum Schweigen zu bringen. Auf seine „politische Unzuverlässigkeit“ geben ausländische Zeitungen konkrete Hinweise. Die Annahme einer Denunziation wegen verschiedener Äußerungen im kleineren Kreis bei Empfängen während der Weltreise ist nicht von der Hand zu weisen. Trotz seiner Homosexualität ist es eher unwahrscheinlich, dass ein derart populärer Sportler vom nationalsozialistischen Regime ausschließlich wegen dieses Vorwurfs inhaftiert wird. Andere homosexuelle Prominente, die sich mit dem Regime arrangiert haben, wie Gustav Gründgens, werden nicht strafrechtlich verfolgt. Nach einem halben Jahr Haft in Berlin-Moabit wird Gottfried von Cramm auf Betreiben des schwedischen Königs Gustav V. wegen guter Führung auf Bewährung vorzeitig entlassen. Nach seiner Entlassung verweigern die Verantwortlichen in Wimbledon ihm als Vorbestraften die Teilnahme am Turnier von 1939, dem letzten vor Ausbruch des Krieges.

1940 wird Gottfried von Cramm zur Wehrmacht einberufen und an die Ostfront geschickt. Da er vorbestraft ist, bleibt ihm die Offizierslaufbahn verschlossen. In Schloss Brüggen leitet der älteste Sohn Aschwin derweil die Geschicke der von den Eltern übernommenen Güter. Nach schweren Erfrierungen an beiden Beinen erhält er 1942 zunächst Heimaturlaub und wird dann als „unzuverlässiges Element“ aus der Wehrmacht entlassen. Der Krieg hinterlässt auch an ihm seine Spuren, nie wieder spricht er über die Schrecken des russischen Winters. In den Jahren bis zum Kriegsende reist er häufig nach Schweden und hat dort auch Kontakte zum deutschen Widerstand. Nach dem missglückten Attentat vom 20. Juli 1944, im Umkreis dessen Urheber Cramm sich sicher bewegt, äußert sich Gottfried von Cramm mit den Worten: „Ich will nicht wissen, was mit ihnen geschieht. Ich will lediglich wissen, wer von ihnen überleben und wieder freikommen wird, wer noch frei ist und wann sie es das nächste Mal versuchen wollen. Denn dann können sie auf mich zählen!“

Wie alle wegen des § 175 Verurteilten bleibt Gottfried von Cramm auch nach dem Ende des Nationalsozialismus vorbestraft – erst 2002 werden durch den Deutschen Bundestag alle in jener Zeit vor 1945 verhängten Urteile für nichtig erklärt und Gottfried von Cramm damit posthum rehabilitiert.

Nach dem Krieg setzt Gottfried von Cramm seine Tennislaufbahn fort und wird 1947 und 1948 zum ersten „Sportler des Jahres“ in Deutschland gewählt. Sein Engagement erstreckte sich auch auf soziale Bereiche, wie seine Unterstützung von Manasse Herbst, um dessen Flucht zu organisieren. Gottfried von Cramm feiert bis Mitte der fünfziger Jahre noch einige Erfolge, vor allem im „Davis-Cup“, wo er zahlreiche Matches gewinnt. Seine internationale Karriere klingt aus mit drei Siegen im Finale des Herrendoppels der „Internationalen Deutschen Tennismeisterschaften“ von 1953-1955 mit seinem amerikanischen Partner Budge Patty. Nach langjähriger Liaison heiratet der Tennis-Star, der schließlich ins Baumwollgeschäft einsteigt, 1955 die Woolworth-Erbin Barbara Hutton. Beide sehen sich jedoch nur selten, Cramm kümmert sich um seine Geschäfte und Hutton verbringt die meiste Zeit in Tanger, New York und Venedig – die Ehe hält nur zwei Jahre.

In der Nachkriegsgeneration ist Gottfried von Cramm vor allem wegen seiner unzeitgemäß langen weißen Hosen in Erinnerung geblieben. Von der Mode seiner Jugend mag der „Tennis-Baron“ auch bei seinem Nachkriegscomeback – etwa im bundesdeutschen „Davis-Cup-Team“ – nicht lassen. Erst 1953 nimmt der inzwischen Dreiundvierzigjährige endgültig Abschied vom „Davis-Cup“, spielt aber noch bis 1957 einige Turniere.

Gottfried von Cramm war bekannt für seine bemerkenswerte Sportlichkeit und Fair Play auf und abseits des Tenniscourts.

Gottfried von Cramm, der 1977 als erster Deutscher in die „Hall Of Fame“ des Tennis aufgenommen wird, stirbt 1976 nach einem Autounfall in Ägypten. Sein Mut, sowohl auf als auch abseits des Platzes, diente vielen als Beweis, dass sportliche Exzellenz Hand in Hand mit moralischer Standhaftigkeit gehen kann. Er wird im engsten Kreis auf dem Familienfriedhof in Oelber am weißen Wege beigesetzt.

Wichtigste Fakten über Gottfried von Cramm

  • Zweifacher Gewinner der French Open und Spieler von Weltklasse in den 1930er Jahren.
  • Verweigerte sich der Nazi-Propaganda und wurde dafür inhaftiert, was seine Stärkung der Integrität zeigt.
  • Verurteilung wegen Homosexualität wurde posthum aufgehoben, was seine politische Verfolgung unterstreicht.
  • Induziert in die International Tennis Hall of Fame im Jahre 1977.
  • Anerkannt für seine bemerkenswerte Sportlichkeit und Fair Play auf und abseits des Tenniscourts.

Video über/mit Gottfried von Cramm

Seine Anfänge und Bildung

Gottfried Alexander Maximilian Walter Kurt Freiherr von Cramm wurde am 7. Juli 1909 auf Schloss Nettlingen in der Nähe von Hildesheim geboren, im Herzen einer aristokratischen Familie des sächsischen Adelsgeschlechts von Cramm. Auf dem Rittergut Brüggen, zu dem er mit seiner Familie 1911 zog, wuchs er zusammen mit sechs Brüdern auf. Der junge von Cramm erhielt eine strenge, aber umfassende Ausbildung, die mit privatem Unterricht begann und mit dem Abitur am Schulkollegium in Hildesheim ihren Abschluss fand. Schon als Kind entwickelte er ein Interesse an Tennis, angefangen im Alter von elf Jahren, trotz eines unglücklichen Unfalls, bei dem er seine rechte Zeigefingerkuppe durch den Biss eines Pferdes verlor. Dieser Vorfall beeinträchtigte ihn jedoch nicht im Geringsten auf dem Weg zu einer der elegantesten Tennisfiguren seiner Zeit.

Junges Bild von Gottfried von Cramm

Nach dem Abitur zog von Cramm 1928 nach Berlin, um Rechtswissenschaften zu studieren, ganz in Vorfreude auf eine Diplomatenkarriere. Dieses Unterfangen brach er jedoch bald ab, mit Unterstützung seiner Mutter, da seine Tenniserfolge rasch wuchsen. Schon 1929 erreichte er die Nummer zehn der deutschen Tennisrangliste und begann, auf internationalen Turnieren hervorzutreten. Er erlebte schnell einen beispiellosen Aufstieg im Tennisfeld, was schließlich seine Diplomatenpläne für eine vollwertige Tenniskarriere zurückstellt.

Triumph und Herausforderungen im Tennis

Von Cramm begann seine professionelle Tennislaufbahn wahrhaftig im Jahre 1931, als er erstmals bei den renommierten Turnieren Roland Garros und Wimbledon debütierte. Die Anerkennung als einer der besten Tennisspieler folgte schnell darauf, besonders als er 1934 die „Internationalen Meisterschaften von Paris“ gewann. Zwischen 1934 und 1937 fand er sich regelmäßig in den Rängen der besten Spieler wieder, kletterte auf die zweite Position der Weltrangliste und erreichte 1937 sogar den Status der Weltspitze.

Seine herausragenden Erfolge bei den French Open in den Jahren 1934 und 1936 trugen zu seiner Position als Spitzenspieler bei. Seine Matches, besonders gegen Don Budge während des Wimbledon Interzone Finals 1937, sind bis heute legendär und werden als beispielhaft für Technik und Fairness angesehen. In seiner Karriere hatte Cramm auch Erfolge in Doppelkonkurrenzen, mit Siegen bei den French Open und den U.S. Nationals 1937.

  • 1931: Debüt bei Roland Garros und Wimbledon.
  • 1934 und 1936: Sieg bei den French Open.
  • 1935: Finale in Wimbledon, verliert gegen Fred Perry.
  • 1937: Erreicht Weltspitze, beeindruckende Leistung gegen Don Budge.

Von Cramm blieb seiner sportlichen Natur stets treu, wobei sein Engagement durch die politischen Turbulenzen der 1930er stark getestet wurde. Die Nationalsozialisten sahen in ihm einen modernen arischen Athleten. Von Cramm zeigte sich jedoch unbeeindruckt von solcherlei Etikettierung und stellte sich als freidenkerischer Sportler dar. Sein Widerstand gegen das Regime zeigte sich auch bei seiner Weigerung, sich propagandistisch vereinnahmen zu lassen oder der NSDAP beizutreten.

Die Verurteilung 1938 aufgrund der Beziehungen zu dem jüdischen Schauspieler Manasse Herbst markierte einen dramatischen Einschnitt. Es war eine politisch motivierte Verurteilung, um den einflussreichen Sportler und offenen Kritiker zu demütigen. Nach einem halben Jahr im Gefängnis verwehrte man ihm die Teilnahme an Wimbledon 1939, was seine Karriere im Kontext des beginnenden Zweiten Weltkriegs jäh unterbrach.

Leben jenseits der Tennisplätze

Der persönliche Mut von Gottfried von Cramm zeigte sich auch in seinem persönlichen Leben, da er in einer Zeit gesellschaftlicher Intoleranz öffentlich zu seiner sexuellen Orientierung stand. Seine kurze Ehe mit der Woolworth-Erbin Barbara Hutton endete nach zwei Jahren, war jedoch gekennzeichnet durch minimale gemeinsame Zeit und divergierende Lebensinteressen. Von Cramm lebte offen als Homosexueller zu einer Zeit, in der dies ein großes persönliches Risiko darstellte.

Sein Engagement erstreckte sich auch auf soziale Bereiche, wie seine Unterstützung von Manasse Herbst, um dessen Flucht zu organisieren. Der tiefe Respekt und die Verbundenheit, die von seinen Freunden und Verbündeten berichtet wird, zeigen, dass von Cramm trotz des politischen Drucks sein Ethos eines aufrechten und hilfsbereiten Menschen nicht verlor.

Nach dem Ende seiner aktiven Tennisära widmete sich von Cramm Geschäftsinteressen, unter anderem im Baumwollhandel, und setzte sich weiterhin für gerechte Ursachen ein. Er war bekannt dafür, eine verständnisvolle und unterstützende Haltung gegenüber Nachwuchstalenten im Tennis zu haben.

Vermächtnis und Einfluss von Thomas von Cramm

Gottfried von Cramms Einfluss auf Tennis und Gesellschaft bleibt unvergessen. Sein sportliches Vorbild, kombiniert mit seiner persönlichen Geschichte des Widerstands gegen Unrecht und Intoleranz, hat Generationen von Spielern und Fans inspiriert. Seine Aufnahme in die International Tennis Hall of Fame 1977, ein Jahr nach seinem tragischen Tod bei einem Autounfall in Ägypten, unterstreicht seinen bleibenden Eindruck im Tennis.

Sein Mut, sowohl auf als auch abseits des Platzes, diente vielen als Beweis, dass sportliche Exzellenz Hand in Hand mit moralischer Standhaftigkeit gehen kann. Sporthistoriker und Enthusiasten verweisen häufig auf seine Spiele, insbesondere gegen Don Budge, als Lehrbeispiele für Fairplay und technische Brillanz. Von Cramms Haltung gegenüber Ungerechtigkeit und seine Bemühungen um Versöhnung und Verständigung nach dem Krieg machen ihn zu einem bemerkenswerten Botschafter des Sports, nicht nur für Deutschland, sondern weltweit.

Faszinierende Details über von Cramm

Gottfried von Cramms Leben ist voll von faszinierenden Begebenheiten, die seine Vielschichtigkeit unterstreichen. Interessant ist die Tatsache, dass ein Unfall in jungen Jahren, bei dem er die Spitze seines Zeigefingers verlor, seine Karriere nicht verhinderte, sondern vielmehr seine Technik maßgeblich beeinflusste.

Gottfried von Cramm half einem jüdischen Schauspieler während des NS-Regimes bei der Flucht aus Deutschland – ein eindrucksvolles Beispiel seines Muts und seiner Humanität.

Auch seine Rückkehr zum Tennissport nach dem Krieg ist von Interesse, als er noch einige Jahre an Wettbewerben teilnahm und junge Talente förderte. Sein Lebensstil, oft geprägt durch aristokratische Eleganz, spiegelt sich in seiner Entscheidung wider, die ikonischen langen weißen Hosen seiner Jugend auch in späteren Jahren beizubehalten.

Quellen

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