Sybille Schmitz ist unter den UFA-Stars der dreißiger und vierziger Jahre eine Ausnahmeerscheinung. Sie gehört in jener Zeit zum Besten, was der deutsche Film an Schauspielerinnen zu bieten hat. Mit einem Minenspiel zwischen Qual, Dämonie und Erlösung und ihrer androgynen Ausstrahlung entzieht sie sich immer wieder den gängigen Rollenfächern und verkörpert bevorzugt geheimnisvolle, ambivalente Frauen

Sybille Maria Christina Schmitz wird am 2. Dezember 1909 als Tochter eines Konditors im westfälischen Rheinscheidt bei Düren geboren. Sie wächst in Köln auf, wo sie mit vierzehn Jahren die Handelsschule besucht. Da sie – gegen den Willen ihres katholischen Elternhauses – bereits zu diesem Zeitpunkt entschlossen ist, Schauspielerin zu werden, arbeitet sie vor allem dafür, sich eine Ausbildung an der Kölner Schauspielschule finanzieren zu können. Zwar gelingt es ihr schließlich, dort einen Platz zu bekommen, sie bricht das Studium bereits nach wenigen Monaten ab, um den Beruf durch praktische Erfahrungen direkt auf der Theaterbühne zu erlernen. 1927 zieht Sybille Schmitz nach Berlin, wo sie ab 1927 erste kleinere Rollen unter Max Reinhardt am Deutschen Theater erhält – zuerst als Titania in Shakespeares „Sommernachtstraum“.

Die große Theaterkarriere, die Kritiker ihr nach Engagements in Darmstadt, Wien und Berlin voraussagen, wird es nicht. Der Film, mit seinen Möglichkeiten für Nahaufnahmen wie geschaffen für ihr herbes Gesicht mit den unergründlichen Augen, holt sie sich.

Ihr Debüt als Filmschauspielerin gibt Sybille Schmitz 1928 im SPD-Parteifilm „Freie Fahrt“ über den Leidensweg einer jungen Arbeiterfrau. Danach folgen verschiedene Engagements. Sie spielt unter anderem in „Polizeibericht Überfall“ (1928), in „Vampyr – Der Traum des Allan Grey“ (1932), in „Der Herr der Welt“ und „Abschiedswalzer“ (1934), in „Ein idealer Gatte“ (1935), in „Die Umwege des schönen Karl“ (1937), in „Tanz auf dem Vulkan“ (1938), in „Die Frau ohne Vergangenheit“ (1939) und in „Titanic“ (1943). Das unbedarfte Fräulein von nebenan im adretten Baumwollkleidchen wird sie in ihren vielen Filmen – in den Jahren 1934 bis 1936 sind es mehr als zehn – nie spielen. Sie ist stets die Geheimnisvolle und das Publikum – Frauen und Männer gleichermaßen – ist angezogen von ihrer erotischen Ausstrahlung. Zunehmend schwieriger wird es aber für Regisseure, wenn sie einen Film mit Sybille Schmitz drehen wollen. Auch die Besetzung einer Rolle muss durch die dem Propagandaministerium unterstellte Reichsfilmkammer genehmigt werden, oberste Instanz ist Propaganda-Minister Joseph Goebbels. Und zu seinen Favoritinnen zählt Sybille Schmitz sicher nicht, sie entspricht so wenig dem damaligen Bild der deutschen Frau – auch ihr privates Leben mit den Beziehungen zu Männern und Frauen entspricht ihm nicht. Vielleicht, um überhaupt spielen zu können, ergreift sie nach Kriegsbeginn dann auch Rollen in Filmen, die sehr deutlich der Propaganda dienen.

Ob heiter oder mondän, als Hausmädchen oder Dame von Welt – Sybille Schmitz besitzt immer die Magie eines Mona-Lisa-Lächelns, fremdartig, kühl sieht sie mit großen dunklen Augen von der Leinwand herab. So gibt sie Frauenfiguren, die sich stolz an ihre Einsamkeit klammern, Verlassene, die mit winzigen Wendungen verraten, dass ihre Fassung, ihr spöttisches Lächeln, ihre oberflächliche Heiterkeit aufgesetzt sind. In einer Zeit, die unbekümmerte deutsche Kameradinnen verlangt, bleibt Sybille Schmitz die rätselhaft Fremde und Befremdende.

Sybille Schmitz dreht mit Hans Albers, Gustaf Gründgens, Heinz Rühmann, Willy Birgel, Hildegard Knef und unter den Regisseuren Georg Wilhelm Pabst, Frank Wysbar oder Herbert Selpin. In ihrer erfolgreichsten Zeit bekommt die Schauspielerin ebenso hohe Tagesgagen wie die damaligen Superstars Lilian Harvey und Marika Rökk

Von 1940 bis 1945 ist Sybille Schmitz mit dem Drehbuchautor Harald G. Petersson verheiratet und lebt zeitweise in Krimml. In das östereichische Dorf hat sie sich zurückgezogen und schränkt ihre Arbeit für den Film stark ein. Nach dem verlorenen Krieg ist die Zeit der Heimatfilme angebrochen und mit ihnen der Klamauk und die Eintagsfliegen der entfesselten Unterhaltungsbranche. Sybille Schmitz weicht zum Theater aus, holt sich Erfolge in Hamburg. Frankfurt und München, dreht auch noch zwei Filme. Für den Film „Die Ratten“ nach Gerhart Hauptmann, der in Berlin gedreht wird, ist sie vorgesehen, erhält jedoch im letzten Augenblick eine Absage. Sie findet keinen wirklichen Anschluss mehr beim Film, steht nur noch für insgesamt acht Produktionen vor der Kamera. Sie spielt an Zimmertheatern gegen geringe Gage, lehnt gewisse Rollenangebote ab und gilt schnell als „schwierig“. Sybille Schmitz kommt in finanzielle Schwierigkeiten, verfällt dem Alkohol und gibt immer mehr Geld für Tabletten und Alkohol aus.

Sybille Schmitz ist eine Dame, die den Publicity-Rummel der Nachkriegszeit hasst. Sie drängt sich nie in den Vordergrund sondern glaubt an ihre künstlerische Begabung. Sie wird immer einsamer und empfängt nur noch wenige Besuche. „Man kann mich nicht mehr brauchen“ denkt die schwermütige Schauspielerin, heftet ein Schild an ihre Zimmertür mit der Aufschrift  „Bitte nicht wecken“ und nimmt sich 1955 im Alter von fünfundvierzig Jahren mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben.

Rainer Werner Fassbinder nimmt die letzten Lebensjahre von Sybille Schmitz 1982 als Grundlage für seinen preisgekrönten Film „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ mit Rosel Zech in der Hauptrolle.

Die Grabstelle von Sybille Schmitz befindet sich auf dem Münchner Ostfriedhof.

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