Veruschka Gräfin von Lehndorff

Veruschka Gräfin von Lehndorff, bekannt als Veruschka, ist eine der einflussreichsten Figuren in der Modewelt des 20. Jahrhunderts. Sie ist die erste Nachkriegsdeutsche, die als Model vor den Kameras der weltweit bedeutendsten Fotografen steht – als Kunstfigur mit Hang zu Metamorphosen prägt sie die Modefotografie ihrer Zeit. In den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts gilt sie als eines der bestbezahlten Models der Welt und ziert im Laufe ihrer Karriere über achthundert Magazin-Cover. Mit dem Film „Blow Up“ wird sie über Nacht weltberühmt.

Veruschka Gräfin von Lehndorff wurde am 14. Mai 1939 in Königsberg, Ostpreußen, als Vera Gottliebe Anna Gräfin von Lehndorff geboren. Sie war die zweite von vier Töchtern des ostpreußischen Adelsgeschlechts Lehndorff. Ihr Vater, Heinrich Graf von Lehndorff-Steinort, spielte eine zentrale Rolle im deutschen Widerstand gegen das NS-Regime und wurde 1944 aufgrund seiner Beteiligung am Attentat des 20. Juli hingerichtet, eine Erfahrung, die Veruschkas frühes Leben stark prägte. „In der Schule war ich das Kind eines ‚Mörders‘, zu Hause galt er als Held. Ich war sehr verunsichert. Bis heute ist mein Vater ein wichtiges Thema geblieben“, sagt sie in einem Gespräch.

Nach dem Ende des Krieges wuchs Veruschka mit ihrer Mutter und ihren Schwestern unter schwierigen Bedingungen auf, am Anfang in Flüchtlingslagern und unter der Obhut von Bekannten. Diese entbehrungsreiche Kindheit, die durch die Instabilität der Nachkriegszeit geprägt war, trug dazu bei, dass sie eine bemerkenswerte innere Stärke entwickelte. Schon früh fand sie zum künstlerischen Ausdruck, der sie schließlich zur Malerei und letztlich zur Mode führte. Bildung spielte in Veruschkas Leben eine bedeutende Rolle. Nachdem sie für kurze Zeit ein Design-Studium begonnen hatte, brach sie dieses ab, um sich der Kunst in Italien zu widmen. Ihre Leidenschaft für die Künste und ihr Auge für Ästhetik legte den Grundstein für ihre spätere Karriere als Model und Künstlerin. In den künstlerischen Gemeinschaften Europas und den Modezentren der Welt fand Veruschka die Gelegenheit, ihr Potenzial voll auszuschöpfen und sich einen Namen in der internationalen Modeszene zu machen.

Veruschkas Karriere begann, als sie während eines Aufenthalts in Florenz in den 1960er Jahren als Model entdeckt wurde. Mit ihrer einzigartigen Erscheinung war sie bald in der Modewelt gefragt und zog nach New York, wo sie von der legendären Vogue-Chefredakteurin Diana Vreeland entdeckt wurde. Unter dem Namen Veruschka entwickelte sie sich schnell zum ersten Supermodel Deutschlands. Ihre Bekanntheit erlangte sie durch ihre Rolle im bahnbrechenden Film „Blow Up“ von Michelangelo Antonioni. In den 1960er und 1970er Jahren zierte Veruschka über achthundert Magazincover und arbeitete mit einigen der berühmtesten Fotografen der Welt, darunter Richard Avedon, der sie als „die schönste Frau der Welt“ bezeichnete.

Hier eine Übersicht ihrer bemerkenswerten Karrierehöhepunkte:

  • Erstes Magazin-Cover mit prominenten Fotografen wie Richard Avedon und Ugo Mulas
  • Auftritt im Kultfilm „Blow Up“ von Michelangelo Antonioni
  • Zusammenarbeit mit bedeutenden Künstlern und Designern wie Salvador Dalí und Tom Ford
  • Beteiligung an der Kampagne „Wir haben abgetrieben“
  • Entwicklung des avantgardistischen Körperbemalungstrends mit Holger Trülzsch
  • 1983: Auftritt im Dokumentarfilm „Vom Zusehen beim Sterben“ zugunsten der vietnamesischen Boatpeople
  • Hauptrolle in „Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse“ von Ulrike Ottinger
  • 2006: Cameo-Auftritt im James-Bond-Film „Casino Royale“
  • Spätere Zusammenarbeit mit Modemarken wie Giles Deacon und Acne Studios

Doch die entscheidenden Sekunden ihrer Karriere sind 1966 in Michelangelo Antonionis Kultfilm „Blow Up“ zu sehen – sie spielt auch hier nicht Vera, sondern Veruschka – im Londoner Rätselspiel über Bild und Abbild, Wahrheit und Lüge und über einen Mord, der nur auf einer Fotografie zu sehen ist. Der Fotograf spricht sie an, verwundert, denn er wähnt sie in Paris, und sie antwortet, ihr einziger Satz in dem Film – „Ich bin in Paris“.

Es folgen noch einige Rollen in europäischen Produktionen – 1983 tritt sie in dem deutschen Dokumentarfilm „Vom Zusehen beim Sterben“ auf, der dazu beiträgt, die Öffentlichkeit auf das Schicksal der vietnamesischen Boatpeople aufmerksam zu machen, auch spielt sie die Hauptrolle in Ulrike Ottingers „Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse“. 1971 beteiligt sich Veruschka Gräfin von Lehndorff an der von Alice Schwarzer initiierten Medienaktion „Wir haben abgetrieben!“. Veruschka ist auch eine Pionierin der Körperbemalung sowie anderer Inszenierungen und künstlerischer Verfremdungen des eigenen Körpers. Sie arbeitet heute als eigenständige Malerin und Performerin. 2006 zeigt die „Helmut Newton Stiftung“ im Berliner Museum für Fotografie die Ausstellung „Veruschka Self-Portraits“, im selben Jahr hat Veruschka einen Cameo-Auftritt im James-Bond-Film „Casino Royale“.

Heute lebt Vera Gräfin von Lehndorff in Berlin-Weißensee – kinderlos mit vielen Katzen. „Berlin ist eine Narbenstadt“, sagt sie – darum ist sie hier.

Wichtigste Fakten über Veruschka Gräfin von Lehndorff

  • Erste deutsche Supermodel und Stilikone der 1960er Jahre
  • Berühmtheitenstatus durch ihre Rolle im Kultfilm „Blow Up“
  • Pionierin der Körperbemalung und avantgardistischen Fotografie
  • Aktivistin für Frauenrechte und Beteiligung an der Kampagne „Wir haben abgetrieben!“
  • Einflussreiche Figur in der Modebranche und Inspiration für zukünftige Modelle

Video über/mit Veruschka Gräfin von Lehndorff

Persönliches Leben

Im persönlichen Bereich bleibt Veruschka eine faszinierende Figur. Ihr Leben war von den extremen Widerständen und dem außergewöhnlichen Erfolg geprägt, der sich aus einer scheinbar schweren Kindheit heraus entwickelte. Ihr Vater, Heinrich Graf von Lehndorff-Steinort, war eine prominente Figur im deutschen Widerstandskampagne, eine Tatsache, die ihre Identität tief beeinflusste.

Nach dem Verlust ihres Vaters wurde Veruschkas Familiensituation von den Herausforderungen der Kriegszeit überschattet. Diese persönliche Geschichte hat Veruschka eine intime Beziehung zur Geschichte und zu ihrem persönlichen Vermächtnis gegeben. Trotz dieser traumatischen Erlebnisse prägte sie ihren Weg und fand in der Kunst und der Modefotografie einen Fluchtweg und Ausdruck für ihre Emotionen.

Veruschkas Öffentlichkeitsengagement ist ebenso bemerkenswert wie ihre Karriere. Sie ist bekannt für ihre starke Meinung zu gesellschaftlichen Themen und engagiert sich leidenschaftlich für soziale Gerechtigkeit, insbesondere für die Rechte und die Gleichstellung von Frauen. Dies zeigt sich vor allem durch ihre Teilnahme an der Kampagne „Wir haben abgetrieben!“. Als eine Frau mit Mut und Entschlossenheit hat sie sich für das kulturelle und soziale Bewusstsein ihrer Zeit eingesetzt und dabei immer ihrer eigenen Überzeugung und Authentizität treu geblieben.

Vermächtnis und Einfluss

Veruschkas Beiträge zur Modewelt und ihre künstlerischen Pionierleistungen haben einen dauerhaften Eindruck hinterlassen. Sie gilt als Ikone des Stils und der Transformationskunst, inspiriert durch ihre innovative Arbeit im Bereich der Körperbemalung und -verfremdung. Ihr Ansatz, Modefotografie als ein Medium für Avantgarde-Kunst zu nutzen, hat Generationen von Fotografen und Künstlern beeinflusst, die sie als Muse und Vorbild sehen.

Der Film „Blow Up“, in dem Veruschka eine Schlüsselrolle spielte, markierte nicht nur einen Höhepunkt in ihrer Karriere, sondern beeinflusste auch die Wahrnehmung von Mode und Fotografie als ernsthafte Kunstformen. Durch diese Plattform wurde sie nicht nur als Model, sondern auch als Kultursymbole der 1960er Jahre anerkannt, deren Einfluss unauslöschlich die Art und Weise geprägt hat, wie wir heute Mode betrachten.

Veruschkas Einfluss reicht über die Mode hinaus; sie ist auch ein Symbol für Resilienz und Kreativität, das andere, insbesondere Frauen, ermutigt hat, ihre Identität und ihre Stimmen in der Kunst und im Leben auszudrücken. Ihre Arbeit hat dazu beigetragen, den Weg für mehr Inklusion und Vielfalt in der Modeindustrie zu ebnen und unterstreicht die Bedeutung von Individualität und künstlerischem Ausdruck in einem Feld, das oft von Konformität geprägt ist.

Interessante Fakten

Veruschkas Leben und Karriere sind reich an faszinierenden Details und Anekdoten. Eine der weniger bekannten Tatsachen über sie ist ihre Teilnahme am Woodstock Festival 1969, einer kulturellen Ikone der friedlichen Revolution und Hippiebewegung, was ihren Einfluss auf und ihre Einbindung in die zeitgenössische Kultur bestätigt. Ein weiteres bemerkenswertes Detail ist ihre Arbeit mit dem Musikprojekt ANBB (Alva Noto & Blixa Bargeld’s Projekt), bei dem ihre Stimme auf dem Album „Mimikry“ zu hören ist – eine weniger bekannte, aber ebenso bedeutende Facette ihrer kreativen Fähigkeiten.

Veruschka war eine der Hauptfiguren, die die Mode von reiner Kleidung in eine Form des künstlerischen Ausdrucks und der visuellen Kunst transformierte.

Selbst im fortgeschrittenen Alter bleibt Veruschka dem Modellieren treu, indem sie für namhafte Designer wie Giles Deacon posierte und damit bewies, dass Stil und Einfluss keine Altersgrenzen kennen. Ihre beständige Präsenz in der Mode- und Kunstszene ist ein Beleg für ihre dauerhafte Relevanz und ihren inspirierenden Charme.

Quellen

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